Christian Jungersen: Du forsvinder

Christian Jungersen hat mit Du forsvinder (Du verschwindest) nach seinem ersten Publikumserfolg mit Undtagelsen (2004, dt. Die Ausnahme) wieder einen bestseller-verdächtigen Roman vorgelegt. Jungersen schreibt flüssig, dialogreich, gut lesbar, aber durchaus stilsicher. Seinen Publikumsappeal nutzt er, um komplexe und aktuelle Themen der Wissenschaft in anschaulicher Form zur Darstellung zu bringen und zur Diskussion zu stellen. In diesem Fall handelt sich um die derzeit vieldiskutierte Hirnforschung, die Konstitution der menschlichen Psyche und Persönlichkeit und letztlich die Frage, was den Menschen und das Menschliche ausmacht.

Die Fallgeschichte: zwischen Unterhaltung und Problemorientierung

Er entwirft dazu eine Fallgeschichte eines zunächst glücklichen Ehepaares, dessen harmonischer Alltag plötzlich durch äußerst exaltiertes Verhalten des Mannes, einen epileptischen Anfall und die darauf folgende Diagnose eines gutartigen Tumors am orbifrontalen Kortex unterbrochen wird. Wir folgen den Schockzuständen von Verhaltensauffälligkeiten, Diagnose, Behandlung und Operation, doch damit ist es nicht getan, diese Handlungselemente machen nur den Anfang des Romans aus. Zum einen führt die wachsende Entfremdung von ihrem merkwürdig agierenden Mann Frederik die Erzählerin Mia in eine neue Beziehung zu einem verständnisvollen Mann, der ebenfalls mit einer gehirngeschädigten Partnerin verheiratet ist (man ist geneigt, zynisch die Angehörigengruppe als Partnerbörse zu sehen), zum anderen folgt aus dem medizinisch-neurologischen auch noch ein juristischer Fall. Der besagte orbifrontale Kortex ist nämlich der Ort der Impulskontrolle und der emotionalen Verhaltensregelung, seine Schädigung – sei es durch einen Unfall oder einen Tumor – kann zu unkontrolliertem Verhalten in vielerlei Hinsicht führen. In unserem Romanbeispiel hat Frederik gezockt und dabei das gesamte Vermögen nicht nur seiner Familie, sondern vor allem der Privatschule, deren Leiter er war, durchgebracht. Die Krankheit verhinderte nicht nur seine augenblickliche Impulskontrolle, sondern auch seine grundsätzliche Einsicht in das Fehlverhalten. Er wird aus seiner Stellung entlassen, die Familie steht vor dem Ruin, muss ihr Haus verkaufen und wird zudem noch sozial gemieden, denn Mia wird eine Mitschuld vorgeworfen. Es kommt zur Gerichtsverhandlung, was die Frage der Schuldfähigkeit und der Schuld aufwirft. Ohne das Handlungsreferat noch weiter auszudehnen (es gibt auch noch einen Sohn, der neue Liebhaber ist zugleich der Strafverteidiger, es gibt eine ständig psychoanalysierende Mutter und vieles andere mehr) sollte deutlich sein, dass der Roman sich zwischen den Polen Problemorientierung und Unterhaltung ansiedelt. Die Frage ist, ob ein solcher popularisierender Zugang eine Überfrachtung der Ideenebene mit aufregenden Plotelementen rechtfertigt oder ob damit eine komplexe Problematik in nahezu reißerischer Weise dargeboten und verharmlost wird.

Text-Bild-Bezüge

Es ist nicht nur die erzählte Ebene, die durch einen flott geschriebenen Handlungsgang mit Liebe, Hass und Eifersucht den Roman zu einem page-turner macht. Auch das lay out des Buches inspiriert zum zügigen und neugierigen Weiterblättern von Kapitel zu Kapitel, die jeweils durch eine farbige, meist doppelseitige Abbildung eingeleitet werden. Ein illustriertes Buch, ein modernes Bilderbuch mit Fotografien? Die für einen Roman ungewöhnliche Präsentation lädt jedenfalls schon im Buchladen zum Blättern ein!

Die Abbildungen sind sehr unterschiedlicher Natur. Zum Teil sind sie dokumentarisch-bekräftigend, enthalten Fotos von Internetseiten über Neurophilosophie, Abbildungen des Gehirns, Visualisierungen des Themas der orbifrontalen Schädigung anhand von Patientenzeichnungen und Dokumentationen von diesbezüglichen Tests. Zum anderen bebildern die eingeschobenen Seiten die persönliche Ebene, zeigen das Haus, den Vorort, private Briefe, e-mails und SMS-Nachrichten, also fiktive Elemente die Handlung betreffend. Und eine dritte Kategorie von Bildern sind eher künstlerisch anmutende, abstrakte Fotos, meist von Wasseroberflächen, die denjenigen Bildern ähneln, die – laut fiktiver Ebene – der Sohn der Familie gemacht haben soll. Die Bilder haben also ganz unterschiedliche Funktionen und führen zu einer Authentifizierung nicht nur der Themenebene, sondern auch der Fiktion, was einer Vermischung der Ebenen, einer fact-fiction-Durchdringung gleichkommt. Mit einer solchen Verunsicherungsstrategie wird ja derzeit, vor allem in sog. Autofiktion, viel gearbeitet. Doch affiziert in einem Wissenschaftsroman, der philosophische und medizinische Fragen aufwerfen will, die Fiktionalität der einen Bildsorte nicht die Glaubwürdigkeit der anderen? Oder ist alles gleichermaßen Fiktion? Soll die Neurophysiologie authentifiziert und bestätigt werden, und in welcher Beziehung steht der Roman zur Wissenschaft?

Die Erzählebene

Erzählt wird er von der Betroffenen, der Protagonistin Mia Halling in der Ich-Form. Wir sind also ausschließlich mit ihrer Perspektive konfrontiert, wenn wir vom anfänglichen Schock über die Krankheit, vom Entsetzen über die kriminellen Handlungen und den Ruin erfahren. Wir erleben mit der Erzählerin auch die Entfremdung von dem höchst merkwürdig agierenden Mann und können (möglicherweise) die neue Liebe nachvollziehen. Mit ihrer Perspektive werden wir nicht nur in die Haltung einer Betroffenen, sondern auch einer Angehörigen gedrängt, die verstehen will, die sich Informationen verschafft, die den wissenschaftlichen Diskurs, den der Roman führt, durch ihr Wissen-wollen vorantreibt. Sie verschafft sich Informationen über das Gehirn, mögliche Fehlfunktionen, deren Konsequenzen, Kategorien der Schädigung usw., so dass wir als Leser mit unserer Erzählerin in die Situation einer Laien-Hirnforscherin geraten. Aus dieser Perspektive wird nun das Verhalten des Ehemanns als krank diagnostiziert, alles, was er tut oder nicht tut, auf diesen Frontallappen im Gehirn zurückgeführt, wobei sie gar nicht zu merken scheint, dass sich sein Zustand nach Operation und Behandlung bessert und dass zunehmend ihr eigenes Verhalten merkwürdig wird. Nach und nach zweifelt man als Leser(in) an der Zuverlässigkeit der Erzählerin, wünscht sich eine andere Perspektive auf das Geschehen und damit auch auf ihre Fixierung auf diese kleine Stelle im Gehirn. Durch diese gewollt einseitige Perspektive auf die Problematik stellt der Roman dann doch ernsthafte Fragen: nach der Persönlichkeit, nach Schuld, Verantwortung und auch danach, was Liebe und Gemeinschaft ausmacht. An diesem Punkt wächst der Roman über seinen unterhaltenden Anspruch hinaus und problematisiert seine eigene Verstrickung in die Wissenschaft von der Neurophysiologie. Selbstverständlich haben wir es mit einer ernstzunehmenden Wissenschaft, einer folgenreichen Krankheit, verbesserten Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten, aber auch nicht behandelbaren Folgen zu tun. Doch der Roman macht nicht nur diesen Komplex einer noch relativ jungen medizinischen Wissenschaft anschaulich, er zeigt – vor allem durch die Art seines Erzählens – auch die Gefahren einer Wissenschaftsgläubigkeit, die einen Menschen auf ein Körperteil oder eine physiologische Reaktion reduziert. Auch wenn bestimmte Prozesse im Gehirn lokalisiert oder dort abgebildet werden können, entbindet das nicht davon, dem Menschen Handlungskompetenz und Verantwortung zuzugestehen – und ihn weiterhin zu lieben.

In diesem Sinne gelingt es Jungersen dann doch, wichtige Fragen aufzuwerfen, auch wenn sie auf einem relativ allgemeinen Niveau verbleiben. Vielleicht ist daher gerade die Gruppe von Lesenden, die sich durch bunte Bildseiten dazu anregen lassen, einen Roman zu lesen, die richtige Zielgruppe. Und das ja keine schlechte Sache!

Christian Jungersen: Du forsvinder. Kopenhagen: Gyldendal, 2012.
(Annegret Heitmann, München, November 2012)

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Sami Said: Väldigt sällan fin

Von seltsamer Schönheit? Sami Said: Väldigt sällan fin, 2012

Saids Debut setzt sich aus einem biographisch gespeisten Studentenroman über Nohas erstes Semester an Linköpings universitet und der Schilderung einer Reise nach Eritrea zusammen. Dieser Roman wurde so positiv rezensiert, dass ich mich sowohl zur Lektüre verlockt als auch zu einer skeptischen Betrachtung der Maßstäbe für die außergewöhnliche Wertschätzung aufgefordert fühle. Findet womöglich eine ‚Kanon-Umarmung’ statt, eine Feier der innovativen migrantischen Literatur, die in schwedischer Sprache erscheint? An meine Lektüre anschließend gehe ich von der Hypothese aus, dass sich im Romantitel ein ästhetisches und sprachliches Programm verbergen könnte: ‚väldigt fin’ und ‚väldigt sällan’ (‚ungeheuer schön’ und ‚ungeheuer selten’) sind die gängigen idiomatischen Wendungen im Schwedischen. Die kombinatorische Verschränkung beider Ausdrücke veruneindeutigt den adverbialen Bezug. Ist etwas, beispielsweise das vorliegende Erstlingswerk oder der dargestellte Lebensabschnitt des Protagonisten, ‚nur in Ausnahmefällen schön’ oder ‚von erlesener Schönheit’, will sagen einer ‚Schönheit mit Seltenheitswert’?

Charmeoffensiven

Die väterlichen Ermahnungen im Gepäck, den muslimisch korrekten Lebenswandel nicht auf’s Spiel zu setzen, zieht Noha von Göteborg nach Linköping und stürzt sich in ein intensives und einsames Studium. Die Wahl des Faches Religionsgeschichte legitimiert bei Studienbeginn seine ausgreifende Lektüre zur eritreanischen Geschichte. Seine Zurückgezogenheit wird durch das beharrliche Interesse seiner Mitbewohner im betriebsamen ‚Studentenkorridor’ zunehmend sabotiert. Drei seiner Kommilitonen werden näher charakterisiert: ein selbstherrlicher Party-Student, der schwedische Islamist Fredrik, von Noha „Abdul-någonting“ (Abdul-irgendwas) genannt und vor allem die redselige, Musik-begeisterte und exaltierte Studentin Anna, die sich in Noha verliebt, diesen bei einem Annäherungsversuch aber völlig überfordert. Noha weicht Anna schon zuvor aus, indem er ein Sitzmöbel wählt, das von der Gesprächspartnerin möglichst weit entfernt steht und sich dabei geopolitisch identifiziert mit „de yttre kolonierna, i fjärran, Eritrea, det är ett skäl att sitta längre bort“ (den äußeren Kolonien, in der Ferne, Eritrea, das ist ein Grund, um weiter weg sitzen zu können; S. 84).

Die Gegenüberstellung von einem Schweden muslimischer Orientierung (Noha) mit einem soeben konvertierten schwedischen Islamisten (Fredrik) wird von John Sjögren in Uppsala Nya Tidning („Komplexa krockar i det nya landet“/ Komplexe Konfrontationen im neuen Land, 16.08.2012) als besonders ergiebiges Thema gewürdigt. Die Post-It-Zettel an Nohas Zimmerwand mit der Aufschrift „Ät“ (Iss) illustrieren, dass die Gefahr bestünde, Noha könnte sich allein Bücher anstelle von Nahrung einverleiben. Die Figur Fredrik verkörpert eine Obsession an der inszenatorischen Identitätsarbeit, deren Komponenten eigentlich beliebig sind. Zur Charakterisierung dieser speziellen Technik einer Optimierung des Selbst übernimmt Sjögren den Begriff „smörgåsbordsreligiositet“ (religiöse Aneignungen vom kalten Buffet) aus Saids Roman. Nohas sachorientierten, eremitenhaften Leseexzesse stehen Fredriks Koranstudien und dem eifrigen Erlernen arabischer Phrasen in einer Weise gegenüber, die beide Projekte mehr oder weniger desavouiert. Die Studentin Anna bringt Noha einerseits Zerstreuung, die Möglichkeit zur Distanz von seiner ehrgeizigen Mission, andererseits liefert ihr Redestrom Einblicke in eine exemplarische schwedische Kindheit und Jugend, oft assoziativ mit Pop-Songs, Filmen oder Büchern verknüpft, die Nohas Identitätsprojekt bereichern und ansatzweise auch ‚entdogmatisieren’.

Die Familiengeschichte der mehrjährigen Flucht aus Eritrea wird in verschiedenen Varianten dargeboten, dies ist die einzig mögliche Geschichtschreibung bei einer ‚multigenealogischen Herkunft’. Die Zwischenstationen Sudan, Ägypten, Italien und Österreich sorgen für unterschiedliche Sprachkombinationen in der Kommunikation von Nohas Familie. Noha spricht mit seiner Mutter Schwedisch-Deutsch, mit dem Vater Arabisch, mit Bruder und Schwester Schwedisch. Auch Kenntnisse der eritreanischen Nationalsprache und des Italienischen sind in der Familie latent vorhanden. Der Vater wiederum spricht mit seiner Tochter, dem jüngsten Familienmitglied, tigrinja, die Sprache seines eritreanisch-äthiopischen Vaters, auf den er sich verstärkt zurückbesinnt. Der jeweilige Sprachgebrauch wird damit eindeutig an biographische Phasen und an unike soziale Konfigurationen gebunden.

Disparate Wahrnehmungsschule und Demontage des Regimes

Der Anlass für die Reise nach Eritrea ist die Aufgabe von Nohas Vaters, den Nachlass des verstorbenen Großvaters zu ordnen. Entsprechend nehmen neben den Reportage-artigen Schilderungen des fragmentarisiert erscheinenden Alltagslebens – im inzwischen ‚neuen Eritrea’ – die Untersuchung der väterlichen Linie und die Vater-Söhne-Konstellation großen Raum ein. Die passionierten, sich abrupt ablösenden Hobbys des Bruders, mal sind es seltene Kampfsportarten, mal extravagante Haustiere, gipfeln oft in einer schrillen Versuchsanordnung; so wird etwa ein Wüstenskorpion auf unterschiedliche Kleintiere losgelassen, bis sogar ein Lamm qualvoll verendet. Diese grenzüberschreitende, sowohl waghalsige als auch latent aggressive Attitüde als Modus der Welterfahrung haben alle bisher genannten männlichen Figuren gemeinsam. Für Noha kommt dies in seiner übersteigerten, hypersensiblen Wahrnehmung zum Ausdruck.

Das Geheimnis des Vaters offenbart sich bezeichnenderweise infolge des ständigen Streits mit dessen Schwester, in einem Geschlechterkonflikt also, der das patriarchalische Vorrecht in Frage stellt. Nohas Tante wirft dem Vater Doppelmoral und Scheinheiligkeit vor, seine fundamentalistischen Anwandlungen seien unglaubwürdig und seine strenge Erziehung eine Zumutung für die Kinder. Nohas Tante zeigt ihrem Neffen eine Schallplattensammlung aus den 1970er Jahren, die dem Vater in seiner aufrührerischen Jugend die Möglichkeit bot, Tanzpartys zu veranstalten und sich als Dorfplayboy zu gebärden. Das problematische Verhältnis des Vaters zum Großvater erweist sich im Nachhinein als ambivalenter Hintergrund für die den Söhnen aufoktroyierten strikten Lebensregeln. Nohas Vater tritt nunmehr als ein erst in Schweden geläuterter Sünder auf, so dass Nohas Lebensplanung am Ende des Romans unter neuen Vorzeichen steht und sich für ihn ein höheres Maß an Autonomie abzeichnet. Der letzte Satz des Romans zeugt davon, denn Nohas wird nicht mehr von Taxifahrern und Verwandten herumkutschiert, sondern sitzt jetzt selbst am Steuer „jag har inte kört bilen av vägen i alla fall.“ (jedenfalls bin ich mit dem Wagen nicht von der Straße abgekommen, S. 333). Dass damit auch der Autor das literarische Feld entert, ist eine weitere Facette einer beharrlichen Verfolgung des eigenen Weges.

Als der Vater den chaotischen Nachlass verbrennt, nachdem er festgestellt hat, dass die Dokumente auf tigrinja für seine Familie nicht lesbar sind, gesellt sich eine gewaltbereite Gruppe von Jugendlichen zu ihnen, worauf alle in polizeilichen Gewahrsam genommen werden. Die – noch sehr vorläufige – Revision des Vater-Sohn-Verhältnisses findet bei einem kurzen Gefängnisaufenthalt statt, bei dem Nohas Vater um einen Neuanfang bittet.

Das genealogische Konfliktpotential korrespondiert mit der Aufhebung eines jedes erdenklichen Herkunftsmodells. Dies wird auch mit den aufdringlichen Propagandaplakaten für den eritreanischen Präsidenten betont, der in unterschiedlichsten Berufskleidungen präsentiert wird und damit als Volks-Vertreter im wörtlichen Sinne kostümiert erscheint. Die Rowdies auf den Straßen verunstalten diese Plakate, auch sie demontieren die väterliche Diktatur.

Pressereaktionen

Die Sensibilisierung für Wahrnehmungen en detail führt zu einer höchst interessanten Spracharbeit. Ist diese als Charakteristikum eines migrantischen Textes zu betrachten? In dieser Hinsicht halten sich die Rezensenten mit Einschätzungen zurück, meiden ein wohl als riskant geltendes Gelände. Die kombinatorische Vermischung von Stilregistern und die effiziente Verknappung und Reihung sorgt im zweiten Romanteil für Tempo bei einer hohen Dichte an Eindrücken. Eine Vergrößerung und Herausmodellierung von Einzelheiten ist die Folge: „En klädhängare? Vid vägkanten. Den sorten som har fötter och står upprätt av sig själv. Hänger en plastpåse på den. Varje steg för med sig överraskningar.” (Ein Garderobenständer? Am Wegesrand. Die Art, die aufrecht auf den eigenen Füßen stehen kann. Eine Plastiktüte hängt dran. Jeder Schritt bringt neue Überraschungen., S. 299). Dieses Artefakt hat einen surrealistischen Touch, gleicht aber auch der Gestalt eines merkwürdigen semaphorischen Zeichens oder einer abgemagerten Vogelscheuche.

Die Herstellung von Mehrfachbezügen mit humoristischem Effekt ist nicht zuletzt aus der (im ersten Teil thematisierten) Kinderliteratur bekannt, so dass man versuchsweise von einer (planvoll) naivistischen Stilkollision sprechen könnte. Der Rezensent Jonas Thente zeigt sich amüsiert über die Verfremdung der Phrase „Ge mig fem“ (Giv me Five), die sowohl den entsprechenden kumpelhaften Gruß als auch einen Bewertungsgrad auf einer Skala bezeichnen kann und bestimmt das Verfahren folgendermaßen: „Genomgående använder Sami Said det litterära grepp som kallas främmandegöring, och som går ut på att man beskriver välkända ting och företeelser som om det vore första gången man upplevde dem.“ (Sami Said verwendet durchgehend ein literarisches Verfahren, das als Verfremdung bezeichnet wird und darauf abzielt, vertraute Dinge und Abläufe so zu beschreiben, als ob man sie zum ersten Mal erlebte.) („Debutroman. Kulturkrock mellan Sverige och Eritrea. Porträtt på pricken“/ Debüt. Kulturkonflikt zwischen Schweden und Eritrea. Treffsicheres Porträt, Dagens Nyheter, 16.08.2012).

Den verknappten Nominalstil, den man auch im Deutschen als pointiert und als beschleunigtes Staccato erleben kann („Moabit ist Beste“ statt „Moabit ist am besten“) illustriert auch die verselbständigte Feineinstellung auf zwei Insekten:

Kackerlackor stora som valnötter som är usla flygare och som ändå envisas med att flyga och krascha in i mig. (Kakerlaken, groß wie Walnüsse, elend schlechte Flieger, die dennoch beharrlich in mich hineinfliegen und einen Crash bauen., S. 212)

Insekt landar på sidan. Rör sig på begränsad yta så att det verkar som den betraktar bilden – foto på brokigt undervattenlandskap. (Insekt landet seitlich. Bewegt sich auf begrenzter Fläche vorwärts, wirkt so als wenn es das Bild anschaut – Foto einer bunten Unterwasserwelt., S. 214)

Bei der Registrierung der neuen Eindrücke nicht mithalten können, diese Wendung taucht leitmotivisch auf und wird auch explizit als eine zeitliche Zerlegung oder schnelle Taktung dargestellt. Das herausgelöste Zeichen, genau wie der Garderobenständer am Wegesrand, ordnet sich nicht mehr einem kontextuell generierten Sinnzusammenhang unter: „Jag stannar vid en plansch. I högst en minimaldelsekund. Jag kan inte läsa texten.“ (Ich bleibe bei einem Plakat stehen. Höchstens eine Minimalteilsekunde. Ich kann den Text nicht lesen., S. 192). Jonas Thente deutet auch den Verzicht auf Dialoge, die über Redeberichte vermittelt sind, als bewusst beschleunigte Verknappung: „korta meningar, som om han vore otålig att få saken gjord“ (kurze Sätze, als ob er seine Sache ungeduldig zu Ende bringen wollte).

In der Stadt Asmara und im dörflichen Umfeld scheint die Linköpinger Askese abgelöst durch eine sprachliche Stillung des Wirklichkeitshungers, wozu auch die (weibliche konnotierte) Fiktion einen wichtigen Beitrag leistet: Anna hat dem Ich-Erzähler zufolge dazu beigetragen, das Spektrum der Optionen in der Weltaneignung zu erweitern und Resonanzen zu eröffnen: „Till det som inte går att föreställa sig hade hon hittat på förklaringar“ (Für das, was man sich nicht vorstellen kann, hätte sie Erklärungen gefunden, S. 301) heißt es voller Sehnsucht.

Für die enthusiastische Rezensentin Annina Rabe bieten sich sprachliches Experiment und erzählerisches Vermögen in einer selten gelungenen Kombination dar:

Sami Saids språk är av den arten där nästa mening aldrig är förväntad. Det är en sorts korthuggen prosa som lånar av poesins associationsfrihet, med en spännvidd som gör att en enda mening kan rymma både humor och djupaste vemod, samt alla lägen däremellan. Det är ett språk som ständigt retar aptiten, gör läsaren hungrig på mer.

(Sami Saids Sprache zeichnet sich dadurch aus, dass der jeweils anschließende Satz niemals vorhersagbar ist. Es handelt sich um eine Art abgehackte Prosa, die sich den Assoziationsreichtum von Lyrik aneignet, mit einer Bandbreite, die Humor und tiefe Wehmut in einem Satz unterbringen kann, zudem alle Stimmungslagen dazwischen. Es ist eine Sprache, die unablässig den Appetit der Leser weckt, sie hungrig nach mehr werden lässt., „Enastående debut om vilsen ung man“/ Einzigartiges Debüt über einen suchenden jungen Mann, Svenska Dagbladet, 16.08.2012).

John Sjögren stellt die gesellschaftliche Relevanz und die politische Funktionalisierbarkeit des Romans ins Zentrum und hebt entsprechend eine Szene hervor, deren imaginärer Status bzw. Fiktionsgrad in der dargestellten Welt allerdings unklar erscheint (was Sjögren ausblendet). Noha soll für eine Zeitung ein Interview mit einem Sverigedemokraten (d.h. einem Angehörigen der bekanntesten nationalistischen und fremdenfeindlichen Partei Schwedens) führen (vgl. S. 175-177). In dem Interview wird der strukturelle Rassismus satirisch gebrandmarkt, indem ein kurz greifender „Kulturrassismus“ vorgeführt wird, der sich aus einem schillernden Ethnizitätsbegriff heraus entwickelt hat: Ein „kulturfrämling“ (Kulturfremder bzw. Fremder innerhalb einer Kultur) sei doch eigentlich ein „malplacerad neger“ (deplazierter Neger, S. 176). Bezeichnenderweise wird dem potentiellen einwanderungspolitischen Statement durch den Humor die Spitze genommen; Noha wünscht dem Interviewpartner ein gutes Wahlergebnis, und der Interviewte wünscht Noha schriftstellerischen Erfolg (vgl. S. 177). Doch ist dieser Humor nicht eigentlich mürbe geworden, wie das Abschütteln einer lästig gewordenen Aufgabe?

Das clowneske Element in der Sprachverwendung wie in der Ausgestaltung des Außenseitermotivs möchte ich nicht zuletzt als Verweigerungshaltung gegenüber der Vereinnahmung in das Genre-Fach der Kulturkonfliktliteratur begreifen. Gerade die lässt sich in der Literaturkritik ‚zu Tode umarmen’ und als schmeichelhafter Toleranzbeweis funktionalisieren.

Die Ungleichzeitigkeit der simultan verwendeten Sprachregister einschließlich ihrer Interferenzbeziehungen stellt meiner Einschätzung nach ein Indiz für eine globalisierte Ästhetik dar. Der Wunderbaum, der in einem Taxi in Asmara baumelt (vgl. S. 193), ist ein kleines, aber wichtiges Requisit in diesem biographischen Stück auf einer globalisierten Bühne.

Sami Said: Väldigt sällan fin. Stockholm: Natur & Kultur, 2012.
(Antje Wischmann, Berlin, September 2012)

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Fredrik Sjöberg: Varför håller man på? och andra essäer

Glanzvoll schlingernd. Fredrik Sjöbergs Sammlung Varför håller man på? och andra essäer (2011)

Der thematische Gegenstand torkelt, mehrfach wechselt er die Gestalt und entwindet sich dann seiner Beschreibung, keilt zu den Seiten aus und wildert in angrenzenden Gebieten, um unvermittelt wieder zum Pfad der Betrachtung zurückzukehren.

Sjöbergs Essays sind solchen beweglichen und wandelbaren Gegenständen gewidmet: Es geht etwa um das Wort ‚Bing’ oder um Briefmarkensammlungen, umgangssprachliche Ausdrücke für die menschlichen Genitalien, Ludwig Tieck, die Frühzeit des Naturschutzes, Lenin in Stockholm oder die Erfindung der Tasche. Zu allererst finden die Themen ihren Darsteller Sjöberg – und nicht umgekehrt –, der sich deren Bedeutung erst allmählich im Laufe seiner Überlegungen bewusst wird. Als neugieriger Sammler nimmt sich Sjöberg der gefundenen Merkwürdigkeiten und (auto)biographischen Souvenirs an, die sukzessive seinen weitverzweigten Erfahrungsschatz auffächern. Dass der Autor lange als Entomologe tätig war, rechtfertigt die Einschätzung, dass hier ein genauer Beobachter nach einem eigenwilligen poetischen System sammelt und reflektiert.

Die Struktur vieler Essays entspricht der Denkfigur eines Mäanders, wie der zentrale Text der Sammlung „Om essäkonsten“ (Über die Kunst des Essays) exemplarisch verdeutlicht. Zu Textbeginn ist die Ökonomie der Leser-Aufmerksamkeit zu beachten und ein unwiderstehlicher Aufhänger zu finden: „LÅT OSS ETT ÖGONBLICK tala om pengar. Mycket pengar. Guld. I tunnor!“ (S. 45, ‚LASSEN SIE UNS KURZ über Geld sprechen. Viel Geld. Gold. Tonnenweise!’). Wenige Zeilen später erfolgt das Geständnis, dass eigentlich ein anderes Thema auf dem Programm stehe. Anschließend werden unterschiedliche Essay-Definitionen unterbreitet, gebilligt oder verworfen, um dann konsequent mäandernd festzuhalten, dass Essays eine Kurzprosa-Form bezeichneten, von der wohl niemand genau wüsste, wie sie einzuordnen sei. Doch ist dies keineswegs eine irritierende Auslöschung des bisher Gesagten, sondern die Leser werden auf unterhaltsame Weise über ihre eigenen Vorerwartungen und Denkwege in Kenntnis gesetzt.

Lesevergnügen entsteht auch dadurch, dass wir Gewicht und Relevanz der behandelten Gegenstände selbst abschätzen müssen. Dabei haben die skurrilen Themen einen besonders befreienden Charakter, indem sie die in der Regel kaum eingeweihten Leser zur üppigen Assoziationsbildung anstiften. Das Motiv des Wohnwagens bei Gunnar Ekelöf („Ekelöf i sommarnatten“) verheißt beispielsweise nach ausufernden und selbstvergessenen Recherchen des Literatur-Sammlers nichts Geringeres als das Sublime: „Ängen står orörd framför plexiglasfönstret“ (S. 97, ‚Vor der Plexiglasscheibe die unberührte Wiese’, aus Ekelöfs Vägvisare till underjorden, 1967). Auf Ekelöf werden wir noch einmal zu sprechen kommen.

Doch zurück zu den mit Gold gefüllten Fässern und Tonnen. Mit diesen glitzernden Reichtümern gelingt es dem Ich-Erzähler in „Om essäkonsten“, bei einem abendlichen Festbankett die Aufmerksamkeit seiner Tischdame zu fesseln, berichtet er doch detailreich über einen Piratenschatz und die sich arabeskenhaft um den Schatz rankenden historischen Verwicklungen. Die Tischdame führt, in einer schmierenkomödiantisch dargebotenen geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, das Profil einer idealen Rezipientin vor: nachsichtig gegenüber dem exaltierten Redestrom ihres brillierenden Sitznachbarn, gebildet und an den Freibeutern eigentlich weniger interessiert als an den saftigen Anekdoten und Details. Als aktive Zuhörerin sendet sie dem ‚stand-up-Essayisten’ jeweils Klarzeichen, damit er zwischen den Gängen des Festmahls sein verbales Feuerwerk fortsetzen kann; sie rundet die Erzählung mit einem anerkennenden Lächeln ab, das den Ich-Erzähler bestätigt und beglückt. Zuvor erfahren Tischdame und Lesende aber noch von dem fröhlichen Plagiat, das seinem Auftritt zugrundelag: Es handelt sich um die Abhandlung Om Sveriges planer och åtgärder rörande sjöröfvarne på Madagascar 1718-1727 von Hans Wachtmeister (Schwedens Pläne und Maßnahmen, die Seeräuber von Madagaskar betreffend, Universität Uppsala, 1848), von der bescheiden angemerkt wird, dass sie in vielen schwedischen Antiquariaten erhältlich sei. Diese belegbare Quelle [http://libris.kb.se/bib/2341463?vw=full] führt das ‚delectare et prodesse’ mustergültig vor, Akrobatik und Bodenhaftung miteinbegriffen. So spielt es auch keine Rolle mehr, ob die aus dem historischen Quellenmaterial herausgezurrten Anekdoten nicht doch mit Seemannsgarn verknotet sind.

Zitate sollten dem allt i allo-Schriftsteller (Künstler auf allen Gebieten) zufolge lieber elegant plagiiert als auf gelehrsame Weise nachgewiesen werden. Hier wird gleichsam unter der Flagge unbeschwerter Bildung, vor allem glücklicher Zufallsfunde und willkommener Überraschungen gesegelt.

Sjöberg zufolge ist jedes ausformulierte Essay das Kondensat eines vorgestellten Auftritts, und die Eitelkeit sei der Antrieb für die temporären Höchstleistungen. Der Erzähler gibt preis, dass er sich während des Schreibens vorstellt, auf einer Bühne zu stehen, alleine im Scheinwerferlicht, zum Publikum sprechend (vgl. S. 63). Der Selbstvergessenheit bei der Stoffsammlung steht damit die planvoll inszenierte und getimte Darbietung gegenüber, die sich des Leserinteresses auf schelmenhaft-verschlagene Weise immer wieder vergewissert, etwa durch kleine autobiographische Enthüllungen oder aber unerwartete Aktualisierungen: Ähnelt die an den König gestellte Forderung von Kapitän Spaak, eine Fregatte mit tausend Kanonen und freies Geleit zu erhalten, um den Piratenschatz bergen zu können, nicht dem Anliegen der heutzutage per Mail verschickten ‚Nigeriabriefe’?

Sjöbergs Genre ‚stand-up-Essay’ variiert das Fragment, da ausschnitthaft eine Zwischenbilanz des Kenntnisstandes geliefert wird, die zudem eng an eine autobiographische Phase gebunden ist. Die inszenierte Mündlichkeit sorgt sowohl für die dramaturgische Strukturierung als auch für eine selbstreflexiv wirksame Ironie, indem die – zu Umwegen bereiten – Leser durch das Dickicht der Querverweise und Abschweifungen („stickspår“) geführt werden:

„Dies passt nicht hierher, befürchte ich.“ – „Vielleicht ist es noch zu früh, dies hier anzubringen.“ – „Wir werden auf diesen Punkt später noch eingehen.“ Auch im Tempowechsel, hervorgerufen durch die alternierenden kurzen und längeren Sätze, drückt sich die paradoxe Spannung zwischen spontanen Eingebungen und planvollem Arrangement aus.

Weitere Motivationen für die inbrünstig verfolgten Seiten- und Nebenwege sind die autobiographischen Spiegelungen in den historischen Persönlichkeiten, seien es etwa der Literat Bengt Lidforss oder der Vogelmaler Lars Jonsson, die den egozentrischen Eklektizismus begründen, genau das in den Materialien zu finden, was man am liebsten behandeln möchte (vgl. S. 90). Vielleicht ist es, wie Sjöberg sagen würde, noch zu früh, dies jetzt schon zu verraten. Und dieser Filter ist zweifellos durch den Vergleich mit dem Lebensweg des Autors vorgegeben. Dabei geht er, im mehrfach erwähnten Austausch mit den Lesern, sogar darauf ein, dass ihm bei der Projektion des Eigenen auf das Fremde seine Bevorzugung männlicher Modell-Biographien bewusst sei: Unter Jungens funktioniere die Spiegelung eben besser („pojkar emellan“; S. 142). Wie ein Vorschlag zur Güte, gerade gegenüber den geneigten Leserinnen, stellt sich Sjöbergs Ankündigung dar, dass doch immerhin zwei Essays über die Journalistin Ester Blenda Nordström (1891-1948) und die im Geheimdienst beschäftigte Flohforscherin Miriam Rothschild (1908-2005) in Arbeit seien.

Die deutsche Leserschaft, der drei der vorausgegangenen Publikationen Sjöbergs, nämlich Flugfällan (2004; Die Fliegenfalle: Über das Glück der Versenkung in seltsame Passionen, 2010), Flyktkonsten (2006; Die Kunst zu fliehen, 2012) und Russinkungen (2009; Der Rosinenkönig, 2011) in der beeindruckenden Übersetzung von Paul Berf bekannt sind, darf damit rechnen, dass Sjöbergs Lieblingsreiseland Deutschland auch weiterhin die Essayproduktion anregen wird. Die eindringliche Erinnerung an den Vater (siehe das Essay „Pappa“) ist mit der intensiven Ortsbegehung von Rothenburg verknüpft, sowohl text- und bildbasiert als auch aus eigener, vielbewanderter Anschauung. Noch einmal tritt das Genre als ein Schmelztiegel von Kurzprosaformen hervor: die durchgestaltete Reportage, das autobiographisch angereicherte Portrait, das Paradestück en miniatur, die ausfransende Anekdote oder – wie im Text „Pappa“ – ein intimer Nachruf, in diesem Fall auf den Besitzer des Wagens, in dessen Seitentür sich der Autor einst als Kind spiegelte.

Doch nun ist es höchste Zeit, zu den sommerlichen Erlebnissen Ekelöfs zurückzukehren. Bedenkenlos die Diskursgrenzen überschreitend, stellt Sjöberg mit seinen Serendipitätsstudien unter Beweis, wie eine tiefbohrende fachwissenschaftliche Spezialisierung inzwischen fragwürdig erscheinen mag: Die Attitüde der Schreibenden und die Funktionalisierung des Empirischen legen jeweils im Voraus fest, unter welchen Prämissen überhaupt zu sammeln ist und wie zu dokumentieren und zu deuten ist. Dies pointiert beispielsweise ein kleiner Seitenhieb auf die positivistische Tradition innerhalb der schwedischen Literaturwissenschaft: „Han [Ekelöf] pallade äpplen – 27 år gammal! Plötsligt kände jag mig nästan som en litteraturforskare.“ (S. 93, ‚Ekelöf klaute Äpfel – mit 27 Jahren! Plötzlich kam ich mir fast wie ein Literaturwissenschaftler vor.’).

Dies hätte ich wohl an den Anfang meiner Besprechung stellen sollen: Die Frage im Titel „Warum macht man weiter?“ beantwortet sich selbst – im Prozess der Suche, des Hervortastens, des Skizzierens und Verwerfens. Trotz der mit Leichtigkeit daherkommenden Kunstfertigkeit von Sjöbergs Essays ist die Denk- und Stilfigur des Mäanders eine allgemeine Ermutigung zum ‚wilden Denken’. Deshalb liest man gerne weiter. Sieht dem nächsten objet trouvé mit großer Vorfreude entgegen. Und vielleicht hangelt man sich sogar nur zu gerne in seinen Arbeiten weiter, wie es uns Sjöberg vorführt. Varför håller du på?

Fredrik Sjöberg: Varför håller man på? och andra essäer. Stockholm: Bonniers, 2011.
(Antje Wischmann, Tübingen, Juni 2012)

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